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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - „Offshore-Ziele sind im Großen und Ganzen realistisch“
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN ZEITUNG:
„Offshore-Ziele sind im Großen und Ganzen realistisch“
Markus Nölke ist seit März Geschäftsführer des Windindustrie- und Wasserstoffverbands Wab mit Sitz in Bremerhaven. E&M unterhielt sich mit ihm. 
 
E&M: Herr Nölke, Sie kommen von der Schifffahrt, verstehen also etwas von Logistikketten. Kurz nach der Nationalen Hafenstrategie hat der Bund den Ausbau des Hafens Cuxhaven durch eine überraschende Zusage gesichert. Sind Sie damit zufrieden? Welche Bedeutung haben Cuxhaven und andere Häfen für die Windkraft?

Nölke: Die Finanzzusage des Bundes von 100 Millionen Euro für den weiteren Ausbau in Cuxhaven begrüßen wir sehr. Das ist wirklich sinnvoll, da Cuxhaven bereits über eine Baugenehmigung verfügt und Niedersachsen und die Privatwirtschaft weitere 200 Millionen Euro einbringen. Es kann dort jetzt losgehen.
Dabei darf es aber nicht bleiben, denn Cuxhaven allein wird den Bedarf für den Ausbau der Windenergie nicht abdecken können. Die großen Komponenten werden aus aller Welt über Häfen importiert und gehen dann zum Beispiel für den Onshore-Ausbau ins Binnenland. Rückbau und Recycling werden ein immer größeres Thema. Die Häfen werden auch für Service und Betrieb gebraucht. Werften können Konverterstationen bauen und zu Energy Ports entwickelt werden, zum Beispiel Bremerhaven. Es geht am Ende um die gesamte Supply Chain.

Am Tag vor der Finanzzusage des Bundes wurde die Nationale Hafenstrategie veröffentlicht. Sie benennt das Ziel, die See- und Binnenhäfen zu nachhaltigen Knotenpunkten für die Energiewende zu entwickeln. Genau das wird von uns begrüßt, muss aber mit weiteren konkreten Finanzzusagen des Bundes hinterlegt werden. Da sind wir als Wab ganz im Einklang mit der Hafenwirtschaft. Bis auf die Zusage für Cuxhaven ist im Moment nichts in Aussicht. 
 
Zwischen Betreibern von Offshore-Windparks und der Wertschöpfungskette gibt es „große Interessenunterschiede“, meint der neue Wab-Geschäftsführer Markus Nölke
Quelle: SPC

E&M: Was könnte da Bremerhaven beisteuern oder auch einzelne Hafenbecken in Bremen? Was sind deren Alleinstellungsmerkmale? 

Nölke: Wichtig sind Schwerlastflächen mit entsprechenden Kajen in Bremerhaven, auch ganz konkret für den Bau von Konverterplattformen. Wir brauchen für Deutschland allein 32 Konverterplattformen, europaweit 130. Da muss viel Wertschöpfung hier stattfinden, weil hier die Kompetenz ist und sich die Unternehmen gerade intensiv darauf vorbereiten. Hier ist auch die Umschlagkompetenz vorhanden. Flächen sind teilweise da und müssen teilweise dazukommen. 

E&M: Sie vertreten vor allem Hafennutzer, Mittelständler. Wie erleben Sie die Branchenkonjunktur, die Branchenstimmung? Wenn man nach dem Index Wetix von Trend Research geht, sieht es gar nicht so schlecht aus angesichts der nach oben geschraubten Ausbauziele. 

Nölke: Ich nehme eine Aufbruchstimmung wahr. Wir stehen jetzt am Durchbruch, an dem es aufwärts geht. Wir kommen aus einem Tief, als alles abgebremst worden ist ... 

E&M: ... Sie meinen die Strompreisbremse von 2013, nach der die Offshore-Ziele gesenkt wurden und der Ausbau über wettbewerbliche Ausschreibungen lief ... 

Nölke: Ja, und es dauert dann natürlich, bis man wieder im vollen Lauf ist. Wir merken die gute Stimmung auch am verstärkten Interesse an einer Mitgliedschaft bei uns, an der Teilnahme an unseren Veranstaltungen, Messebeteiligungen und Sponsoring. Es muss auch so kommen, wenn die Ausbauziele halbwegs ernst gemeint sind. Davon werden unsere Mitgliedsunternehmen stark profitieren. Aber es muss jetzt halt auch losgehen.

Ist der Windmarkt überhitzt?

E&M: Ist der Markt nicht überhitzt? Jetzt haben wir knapp 8.500 Megawatt, die in mehr als einem Jahrzehnt entstanden sind, in sechs Jahren sollen es allein auf deutscher See 30.000 Megawatt sein, bis 2040 freiwillig schon 40.000 Megawatt − so stand es im November 2022 in einer Realisierungsvereinbarung mit den Übertragungsnetzbetreibern. Im Januar 2024 ist sie geplatzt, Netzanbindungen kommen plötzlich bis zu zweieinviertel Jahre später, in einem einzigen Quartal wird 1 Milliarde kWh abgeregelt. Wie realistisch sind die Ausbauziele überhaupt? 

Nölke: Die 30 Gigawatt, die bis 2030 anstehen, sind in der Tat ambitioniert. Eine Studie im Auftrag der Wab sagt, 27,28 Gigawatt sind realistisch. Wenn es am Ende 30 werden, umso besser. Im Großen und Ganzen halten wir die Ziele also schon für realistisch. Die Verzögerungen, die Sie angesprochen haben, sind unserer Ansicht nach in erster Linie der Größe der Projekte geschuldet, die erstmals angegangen werden und schnell umgesetzt werden müssen. Zum Beispiel sind noch nie Zwei-Gigawatt-Konverterplattformen gebaut worden. Da sind Verzögerungen an der einen oder anderen Stelle nicht ganz überraschend. Aber wir würden nicht von einer Überhitzung sprechen. 

E&M: 2023 waren die großen Sieger der deutschen Offshore-Flächenausschreibungen die Öl- und Gaskonzerne BP und Total sowie die Inhaber von Altrechten. Dem Bundesverband Windenergie Offshore sind die Losgrößen von 1.000 Megawatt aufwärts zu groß und die Zuschlagskriterien zu sehr auf Einnahmen des Bundes ausgerichtet. Wie sehen Sie das? 

Nölke: Die Sorge des BWO teilen wir, wenn am Ende nur die ganz Großen mitspielen können. Wir sehen es aber weniger aus Betreibersicht als aus der Sicht der Zulieferindustrie, die so breit aufgestellt ist, dass man damit umgehen können wird. Man muss die Entwicklung beobachten und gegebenenfalls gegensteuern. 

E&M: Haben Sie schon eine Position gefunden zu dem Thema heimische Wertschöpfungstiefe oder CO2-Fußabdruck als qualitatives Ausschreibungskriterium, das nach wie vor fehlt? 

Nölke: Die qualitativen Ausschreibungskriterien müssen überarbeitet werden. Zum Beispiel muss das Thema grüner Stahl übernommen werden. Wir als Wab sind die Stimme der Wertschöpfungskette und es ist uns wichtig, dass diese wieder stärker vor Ort stattfindet. In anderen Ländern wird das vorgeschrieben. Es wäre sicherlich sinnvoll, das für Deutschland ebenso zu handhaben.

„Warum nicht Local Content verlangen ähnlich wie Polen?“

E&M: Deutschland oder Europa? 

Nölke: Als nationaler Verband fordern wir natürlich Deutschland, aber zumindest Europa. In Polen zum Beispiel gibt es Fabriken, weil es dort in den Ausschreibungen vorgeschrieben war. Warum soll hier nicht Ähnliches verlangt werden? 

E&M: Vielleicht weil dann die Energiewende teurer wird. 

Nölke: Nicht zwangsläufig, denn je mehr erneuerbare Energien wir haben, desto günstiger wird es. Und was ist die Alternative? Wir müssen uns auch von Importabhängigkeiten befreien. 

E&M: Branchenvertreter wie der Windturbinenhersteller Siemens Gamesa und der Übertragungsnetzbetreiber Tennet als Auftraggeber für Konverterplattformen und Kabel verteidigen europäische Produktionsverbünde. 

Nölke: Es wird nicht alles nah vor Ort gehen, aber zumindest ein Teil, so wie das ja auch in der Vergangenheit der Fall war, bevor leider vieles abgewandert ist.

E&M: Der BWO als ein Verband Ihrer Branche hat sich umbenannt von ‚Windparkbetreiber‘ in ‚Windenergie‘. Das ist doch ein Signal, oder? Er sitzt zudem in Berlin im Machtzentrum und gleichzeitig gibt es die regionalen Windkraft-Mittelstandscluster, Ihre Wab in Bremerhaven und das Wind Energy Network in Rostock. Wird jeder separat ausreichend gehört in Berlin und Brüssel? 

Nölke: Ich bin neu in der Branche und bringe damit vielleicht den Vorteil mit, dass ich erst einmal unvoreingenommen auf alle zugehen kann. Ich will mich in der nächsten Zeit mit allen Akteuren, mit denen wir zusammen unterwegs sind, treffen, viel hinterfragen, mir ein Bild machen.

Die Wab ist die Stimme der Wertschöpfungskette und das wird sie auch bleiben. Der BWO ist die Stimme der Betreiber. Da gibt es große Interessenunterschiede. Eine Abgrenzung ist gut, soll uns aber nicht davon abhalten, dort zusammenzuarbeiten, wo man gleiche Positionen vertritt. Es ist mein festes Ziel, die Anzahl der Wab-Mitglieder in dieser guten Branchenstimmung deutlich zu steigern. Wir als Wab wollen auch unsere Aktivitäten für Onshore-Wind in Nordwestdeutschland stärken, wo viele Mitglieder tätig sind. Der Bereich grüner Wasserstoff aus Windenergie steht ebenso herausfordernd auf unserer Agenda. 

Was Brüssel und vor allem Berlin angeht, gibt es Ideen, die jetzt angegangen werden. In Berlin sind unsere Vorstände präsent und ich werde dort auch stark Flagge zeigen. Aber man muss sich freimachen von der Frage, ob man dort eine Adresse hat.
 

Zur Person

Markus Nölke (54) hat am 1. März die Geschäftsführung des Windindustrie- und Wasserstoffverbands Wab mit Geschäftsstelle in Bremerhaven übernommen, seiner Geburtsstadt, in der er − abgesehen von Zivildienst und Ausbildung zum Speditionskaufmann − zuvor noch nie gearbeitet hat. Vor der Wab war der Spross einer Seemannsfamilie, der an Land bleiben wollte, 14 Jahre Geschäftsführer des Vereins zur Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs in Bonn, der das „Short Sea Shipping Inland Waterway Promotion Center“ (SPC) betreibt. Das ist eine Kooperation der öffentlichen Hand und der Wirtschaft für die Binnen- und Küstenschifffahrt. Zuvor arbeitete Nölke in verschiedenen Speditionen. Bei der Wab folgt er auf Heike Winkler, die im Spätjahr 2023 nach viereinhalb Jahren „in gegenseitigem Einvernehmen“ ausgeschieden war. Die Wab wurde 2002 gegründet als „Windenergie-Agentur Bremerhaven/Bremen“ und 2012 wegen des größeren geografischen Einzugsbereichs in „WAB“ umbenannt. Ihr gehören heute 250 Unternehmen aus Windindustrie, maritimer Industrie und Wasserstoffwirtschaft sowie Forschungsinstitute an.
 

Georg Eble
Redakteur
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Dienstag, 14.05.2024, 09:00 Uhr

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